Großes Praktikum der 4LWE in Zeiten von Corona

Perfekte Verbindung aus Theorie, Praxis und (Auslands-)Praktikum mit Matura

Die neue HBLFA Tirol am Standort Rotholz bietet eine herausragende Ausbildung

* Welche Kulturen werden für die Herstellung von Joghurt benötigt?
* Wie hoch muss der ph-Wert eines Salzbades sein?
* Bei welcher Temperatur reift Tilsiter?
* Wie erzeugt man Qualitätskuh-, -schaf- und -ziegenmilch und daraus innovative Produkte?

Solche und ähnliche Fragen können die Schülerinnen und Schüler der HBLFA Tirol beantworten, weil sie es einerseits theoretisch im Unterricht lernen, andererseits praktisch unter anderem Käse, Butter, Joghurt und Eis in der neuen Käserei und den neuesten Milchverarbeitungsräumen produzieren, Kulturen und Erzeugnisse im Labor analysieren und kontrollieren, im Sensorikraum verkosten und darüber hinaus beim großen 14wöchigen Pflichtpraktikum ihr Wissen auf ausgesuchten Betrieben im In- und Ausland umsetzen und erweitern.

So absolvierte Paul Erlacher (18) aus Oberhofen im Inntal sein Praktikum auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Markt Hartmannsdorf, Bezirk Weiz in der Steiermark mit Milchschafen und -ziegen. Jeden zweiten Tag verarbeitete er die Milch zu (Frisch-)Käse und Joghurt. Die Produkte wurden direktvermarktet.

Elena Gruber aus Ebbs verbrachte ihr lehrreiches „Großes Praktikum“ am Bio-Betrieb „Hagerhof“ von Maria und Alois Fischbacher am Walchsee. Von Frau Fischbacher, die Lehrerin an der LLA Weitau war, ehe sie ganz den Betrieb im Vollerwerb mit ihrem Mann und den zwei kleinen Kindern führt, konnte sie sehr viel über Urlaub am Bauernhof, Rinderzucht und die biologische Wirtschaftsweise lernen. Zu Elenas Aufgaben zählte auch das Melken der Kühe, die Tierbeobachtung und die Kontrolle auf Mastitis mittels Schalmtest. Sie war auch bei etlichen Kälbergeburten dabei. Die Ausbildung an der HBLFA Tirol zeichnet besonders aus, dass das theoretische Wissen auch in der Berufspraxis angewandt wird.

Das erste Praktikum absolvierte der 18jährige Simon Margreiter aus Kundl 2019 auf einem Milchviehbetrieb in Irland, ehe Corona ihm – wie vielen anderen – ein weiteres Auslandpraktikum 2020 verwehrte. Mehr als nur einen guten Ersatz fand er auf der größten Alm Tirols – der Eng Alm auf 1.250 m Seehöhe inmitten des größten Naturschutzgebietes der Nördlichen Kalkalpen im Karwendel – mit dem berühmten Ahornboden – in Tirol.

In der Idylle hieß es früh morgens (am Beginn des Almsommers um 03:30 Uhr!) aufstehen und im Team die frische Milch zu hochwertigsten Milchprodukten weiterzuverarbeiten. Käse schmieren, den Käsekeller und alle Maschinen und Apparaturen reinigen war sehr wichtig. Wissen über chemische Prozesse, Mikrobiologie und Hygiene sind zentral im Lehrplan der HBLFA Tirol und auch in der Praxis!

Alle zwei Wochen während seines 14wöchigen Praktikums brachte er Milchproben an die HBLFA Tirol und kaufte für die Eng Alm „Rotholzer Kulturen“ für die Käseproduktion. Gegen Ende seines Praktikums gehörte er somit zu den Ersten, die die mit 1. September 2020 in Betrieb genommene Forschungs- und Ausbildungsstätte der HBLFA Tirol in Rotholz betraten.

Das Team der Eng Alm nahm erfolgreich an der unter Mitwirkung der HBLFA Tirol von der Landjugend Galtür veranstalteten 26. Internationalen Almkäseolympiade teil. Somit war Simon am Ende des Almsommers für drei Tage alleine für die Verarbeitung von rund 700 Liter Milch zu Topfen, Joghurt und Sauermilch zuständig und verantwortlich. Stolz und mit Freude erzählt er von seinem Almsommer 2020 auf der Eng Alm – einer anstrengenden und lehrreichen Zeit: "Über den Sommer hinweg haben wir auf der Eng Alm über 645.000 Liter Milch von rund 240 Kühen der neun landwirtschaftlichen Milchviehbetriebe verarbeitet. Wir produzierten 2021 große Käselaibe à 30 kg, 5,5 Tonnen Butter und über 1.100 Stück Tilsiter à 3 kg. Das Arbeiten im Team war interessant und es war etwas ganz Besonderes, die eingedickte Milch mit der Käseharfe im Kessel schneiden zu dürfen. Ich konnte das in der Schule Gelernte in der Praxis umsetzen und wesentlich erweitern. Das Schmieren der großen Laibe (pro Tag bewegte ich rund 10.000 kg Käse) ersetzt jedes Fitnesscenter. Der Kontakt mit den Landwirten und den unzähligen Besuchern auf der Eng Alm und das Leben inmitten der Natur machten diese Praxiserfahrung für mich zu einem unvergesslichen Erlebnis."

Die obigen Fragen kann Simon natürlich korrekt beantworten:

  • Es gibt mesophile und thermophile (wärmeliebende) Kulturen. Die mesophilen werden überwiegend für die Käseproduktion genutzt, die thermophilen für die Joghurtherstellung. Der kürzeste Weg von der frisch gemolkenen Milch zu bestem Joghurt dauerte auf der Eng Alm neun Stunden.
  • Der ph-Wert im Salzbad soll bei circa 5,3 liegen. Wenn er zu hoch ist, ist das qualitätsmindernd, jedoch bekämen die Käselaibe schneller eine gut gefärbte Rinde. Die Temperatur des Salzbades soll zwischen 9 und 11 °C und dessen Salzgehalt bei ca. 21 Baumè sein.
  • Die Temperatur im Reifekeller liegt zwischen 10 und 13 °C und die Luftfeuchtigkeit soll über 90 % betragen.
  • Paul, Elena, Simon und ihre Klassenkolleginnen wissen, dass man Qualitätsmilch produzieren kann, wenn man standortangepasste Rassen wählt, die Tiere gut behandelt und versorgt, beim Heuen, beim Melken, beim Kühlen, … sauber arbeitet, und das theoretische Wissen aus Nutztierhaltung, Biologische Landwirtschaft, Mikrobiologie und Hygiene gut in die Praxis umsetzt.

Im Freifach „Diplomierter Käsekenner in Österreich“ erwirbt Simon Margreiter theoretisches und praktisches Zusatzwissen, das ihm weitere Berufschancen ermöglicht. Die Ausbildung beinhaltet die Geschichte des Käses, die Milch als Rohstoff, die Inhaltsstoffe des Käses sowie auch die Herstellung und Reifung von Käse, die Lebensmittelhygiene und Preiskalkulationen. Hinzu kommt die Fachpraxis, in der die Schülerinnen und Schüler für den Umgang und die Präsentation von Käse sensibilisiert werden. Ein wichtiger Teil der Ausbildung sind auch die richtigen Schnitttechniken. Geübt wird außerdem die perfekte Präsentation nicht nur im Klassenzimmer, sondern auch mit dem Käsewagen. Der Käsewagen – „das Dienstfahrzeug des Käsesommeliers“ – begeistert seit Jahrzehnten die Gäste in internationalen Toprestaurants. Für viele Gäste ist es ein absolutes Highlight, wenn sie Käse direkt am Tisch auswählen können.

Ob Simon nach der Matura im nächsten Jahr in diesem spannenden Bereich bleibt, weiß er noch nicht, weil ihm mit der Reife- und Diplomprüfung an der HBLFA Tirol viele Wege offenstehen:

  • direkter Berufseinstieg im Bereich der Landwirtschaft, Ernährung, Lebensmittel- und Biotechnologie
  • alle Studien an Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen
  • Arbeiten in facheinschlägige Beratungsinstitutionen (z.B. LK, LFI, BIKO, ...)
  • in eigenen, innovativen bäuerlichen oder gewerblichen Unternehmen
  • in Labors
  • in Vereinen, Genossenschaften, Tourismus- und Handelsbetrieben
  • in Gesundheits- und Sozialberufen
  • im Projekt-, Qualitäts- und Unternehmensmanagement
  • in Banken, Genossenschaften und Versicherungen

Nach dreijähriger facheinschlägiger Berufstätigkeit und einem Fachgespräch erhalten Absolventinnen und Absolventen der HBLFA Tirol den Ingenieurtitel verliehen.

Wer sich für die innovative Fachrichtung „Lebensmittel- und Biotechnologie“ mit dem Schwerpunkt Milch und Milchprodukte, die in Westösterreich nur an der HBLFA Tirol angeboten wird, interessiert, kann sich jederzeit in der Schule melden. Anmeldeschluss für die 5jährige Fachrichtung „Lebensmittel- und Biotechnologie“ ist am Freitag, 26. Februar 2021.

Mag.a Andrea Hackl

Veröffentlicht am 04.02.2021