Grundsätzlich kann man Elternsprechtage für einen Anachronismus der Schule des 20. Jahrhunderts halten, suggeriert der Begriff irgendwie, dass Lehrkräfte für Eltern nur an diesem Tag zu sprechen wären. Wenn wir uns aber als Erziehungs- und Bildungspartner in der pädagogischen Arbeit verstehen, braucht es eine gute, dauerhafte wechselseitige Erreichbarkeit. Obwohl unsere Lehrkräfte immer gut erreichbar sind, haben wir uns entschieden, den Elternsprechtag beizubehalten.
Um ein kurzes Feedback zu geben und zu erhalten ist dieser Tag an dem die Eltern die Möglichkeit haben, viele Lehrkräfte in kurzer Zeit zu sprechen. Um schwierigere Beratungsfragen zu klären eignen sich unsere Sprechstunden mit mehr Zeit und Ruhe besser.
Stundenlanges Anstehen und das Orientieren im neuen Schulgebäude gab es bei uns heuer nicht.
Als Schule arbeiten wir mit Microsoft Office 365 mit der kostenlosen A1-Lizenz. Bestandteil des Pakets sind neben dem Messenger „Teams“ und der Office Suite (Word, PowerPoint, Excel) auch unendlich viel Speicherplatz für jede Schülerin/jeden Schüler und eine Reihe von weniger bekannten Tools. Auf der Administratorebene gibt es noch viele weitere Programme – eines davon heißt "Microsoft Bookings". Damit lassen sich Gespräche mit den Lehrkräften vereinbaren. Als Zeitrahmen waren bei uns zehn Minuten vorgesehen, die für einen kurzen Leistungsbericht reichen. Die Eltern konnten über die Office-365-Accounts der Kinder Gesprächstermine bei den Lehrerpersonen wahrnehmen.
Viele Eltern haben die Gelegenheit auch genutzt, die Gespräche gemeinsam mit ihren Kindern zu führen; das mag ich persönlich sehr gerne, weil man dann miteinander und nicht übereinander spricht.
Schulisches Leben und Lernen kann nur auf Basis einer vertrauensvollen Beziehung zwischen allen an der Schulgemeinschaft beteiligten Personengruppen gelingen. Beziehungen wollen gepflegt werden, insbesondere in der Krise. Dazu dienen uns normalerweise Elterngespräche, informelle Gesprächsanlässe, das Zusammentreffen bei Schulfesten oder Informationsveranstaltungen. Nachdem das fast alles gerade nicht möglich ist, war uns wichtig, wenigstens den Sprechtag durchzuführen, um mit den einzelnen Familien in Kontakt zu bleiben, über den Fortgang des Unterrichts und die Verbindung von Präsenz- und Onlinelernen zu informieren, Feedback zum Engagement und Erfolg der Schüler*innen in beiden Unterrichtsformen zu geben und um Rückmeldungen der Eltern zu erhalten, wie die Umsetzung des Lernens sich aus deren Sicht darstellt.
Die Eltern hatten ihre Kameras an und saßen gut gelaunt, pünktlich und entspannt, teilweise gemeinsam mit ihren Kindern, vor den Bildschirmen. Statt Kritik waren sie voll des Lobes für unsere Anstrengungen und Bemühungen in den letzten Monaten, sodass äußerst nette, konstruktive und auch lustige Unterhaltungen im Laufe des Nachmittags stattfanden.
Am Ende des Tages waren sich alle Beteiligten einig: Ein coronakonformer, entspannter Elternsprechtag: kein Warten, keine Hektik, keine Masken, kein Infektionsrisiko.
Bei all den Erschwernissen, die die Pandemie oft mit sich bringt, unser Elternsprechtag gehörte heuer nicht dazu.
Ich würde mir wünschen, dass wir ab dem kommenden Schuljahr mindestens einen der zwei "klassischen" Elternsprechtage durch einen digitalen ersetzen. Auf jeden Fall sehe ich viel Potenzial, auf das wir wahrscheinlich ohne diese Sondersituation nicht gestoßen wären – so steckt selbst in dieser Krise doch auch ein klein wenig Positives.